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Security by Design

IT-Projekte vom Start an sicher gestalten
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Security by Design
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Security by Design bedeutet, Sicherheit nicht nachträglich anzuschrauben, sondern von Anfang an in die Konzeption, Planung und Umsetzung eines IT-Produkts zu integrieren. Wer so denkt, reduziert Risiken, vermeidet teure Nacharbeiten und schafft Vertrauen bei Nutzern, Management und Prüfern. Dieser Leitfaden zeigt, wie Sie Security by Design ganz praktisch in Ihren Software Development Lifecycle einweben - mit Rollen, Prozessen, Artefakten, konkreten Formulierungen, Metriken und Tools. Er ist so aufgebaut, dass Sie ihn direkt in Ihrem nächsten Projekt anwenden können, egal ob Sie eine Web-App, eine mobile Anwendung, Microservices, ein Data-Produkt oder eine interne Plattform entwickeln.

Warum Security by Design unverzichtbar ist

Die Bedrohungslage wächst, die Komplexität moderner Software nimmt zu und regulatorische Anforderungen verschärfen sich. Wer Sicherheit erst am Ende testet, wird zwangsläufig überrascht. Security by Design setzt dagegen auf Proaktivität: Sicherheitsziele werden zu Qualitätszielen, Architekturen sind von Haus aus robust, Standards wie ISO 27001, OWASP ASVS und der NIST Secure Software Development Framework bilden die Leitplanken. Das Ergebnis sind resilientere Systeme, schnellere Audits, kürzere Incident-Zeiten und häufig sogar bessere Developer Experience, weil klare Leitlinien Reibung verringern.

Grundprinzipien, die jedes Team verinnerlichen sollte

  • Minimalprinzip und Least Privilege: Jede Komponente und jeder User erhält nur die Berechtigungen, die er tatsächlich benötigt. Standardrollen sind restriktiv, Ausnahmen sind begründet und dokumentiert.
  • Secure by Default: Sichere Einstellungen sind Voreinstellungen. Offene Ports, Debug-Endpoints und schwache Cipher sind per Default aus.
  • Defense in Depth: Mehrere Schutzschichten verhindern, dass ein einzelner Fehler zum Desaster wird. Netzwerk-, Identitäts- und Anwendungsebene greifen ineinander.
  • Zero Trust: Keine implizite Vertrauensannahme. Jede Anfrage wird authentisiert, autorisiert und nach Kontext bewertet.
  • Privacy by Design: Datenminimierung, Zweckbindung, Pseudonymisierung und klare Löschkonzepte sind Teil der Architektur und nicht nur der Datenschutzerklärung.
  • Automatisierung vor Handarbeit: Sicherheitsprüfungen laufen kontinuierlich in der Pipeline, nicht nur kurz vor Go-live.
  • Beweisbarkeit: Entscheidungen, Risiken und Kontrollen sind nachvollziehbar dokumentiert. Das spart Diskussionen in Audits und beim Incident-Review.

Der verlässliche Security-by-Design-Fahrplan im SDLC

1. Discovery und Inception: die Weichen richtig stellen

In der allerersten Projektphase legen Sie die Sicherheitsziele fest, definieren Rollen und verankern Budget und Zeit für Security. Hier passieren die wichtigsten Weichenstellungen.

Was jetzt konkret passieren sollte:

  • Der Product Owner formuliert neben funktionalen Zielen explizite Sicherheits- und Datenschutzziele.
  • Ein Security Champion pro Team wird benannt und mit Zeitbudget ausgestattet.
  • Ein grobes Bedrohungsmodell entsteht, um die größten Risiken früh zu verstehen.
  • Nichtfunktionale Anforderungen werden messbar beschrieben, etwa in Form von Akzeptanzkriterien.
  • Das Team entscheidet, welche Standards gelten: z. B. OWASP ASVS als Basis für Web, Mobile ASVS für Apps, NIST SSDF für Prozessleitplanken, CIS Benchmarks für Cloud.
  • Ein erster Security-Testplan und ein Dokumentationskonzept werden skizziert.

Beispiel für frühe Sicherheitsziele in einem Product Brief:

  • Authentisierung erfolgt über OIDC mit MFA für sensible Aktionen.
  • Alle personenbezogenen Daten werden pseudonymisiert gespeichert.
  • Vertraulichkeitsniveau "hoch" für Kundenstammdaten, "mittel" für Telemetrie.
  • Recovery Time Objective 30 Minuten für Kernservices.
  • Alle externen Abhängigkeiten mit Software Bill of Materials (SBOM) erfasst.

2. Requirements verankern: klare, testbare Sicherheit

Sicherheitsanforderungen sind nur dann wirksam, wenn sie präzise, testbar und in Backlog und Definition of Done (DoD) eingebettet sind.

Beispiel-User-Storys mit Sicherheitsakzeptanzkriterien:

  • Als Nutzer möchte ich, dass mein Passwort niemals im Klartext übertragen wird, damit es nicht abgefangen werden kann.
    • Akzeptanzkriterium: TLS 1.2 oder höher ist erzwungen, HSTS ist aktiv, schwache Cipher sind deaktiviert.
  • Als Admin möchte ich feingranulare Rollen vergeben können, damit sensitive Daten nur von autorisierten Personen eingesehen werden.
    • Akzeptanzkriterium: RBAC mit minimal zwei getrennten Rollen "Lesen" und "Verwalten", Standardrolle ist "Lesen".
  • Als Datenschützer möchte ich, dass Daten automatisch gelöscht werden, wenn der Zweck entfällt.
    • Akzeptanzkriterium: Event-getriebener Lösch-Workflow mit revisionssicherem Audit-Log innerhalb von 14 Tagen.

3. Architektur und Design: robuste Muster wählen

Sicherheitsreife entsteht im Design. Ein klares, überprüfbares Architekturkonzept macht Angriffe schwer und Fehler sichtbar.

Bewährte Architektur-Patterns:

  • Segmentierung und Zonenmodell: Trennung von Präsentations-, Anwendungs- und Datenebene, separate Management-Plane, strikte East-West-Kontrollen.
  • Zero-Trust-Netzwerkzugriff: Identitätsbasierte Policies auf Service-Ebene, nicht nur Network Security Groups.
  • API-Gateway vor Microservices: Zentrale Policies, Rate-Limiting, Schema-Validierung, AuthN/AuthZ, zentraler Secrets-Zugriff.
  • Standardisierte Secrets-Verwaltung: Secrets niemals im Code oder in CI-Variablen im Klartext. Dedizierter Secret-Store mit Rotation und Zugriff nach Prinzip der geringsten Rechte.
  • Datenklassifizierung: Tabellen und Topics mit Labels versehen, Verschlüsselung je nach Schutzbedarf erzwingen.
  • Observability-by-Design: Strukturiertes Logging, korrelierbare Trace-IDs, Security-Telemetrie mit festgelegten Aufbewahrungsfristen.

Auswahl der Krypto-Bausteine:

  • Transportverschlüsselung mit TLS 1.2 oder höher, bevorzugt TLS 1.3.
  • Datenverschlüsselung at rest mit etablierten Algorithmen wie AES-GCM, Schlüsselverwaltung getrennt von Workloads.
  • Hashing von Passwörtern mit Argon2id oder bcrypt mit starken Parametern, kein SHA-2 für Passwörter.
  • Signaturen mit Ed25519 oder ECDSA P-256, passend zu Ökosystem und Compliance.

4. Bedrohungsmodellierung: Risiken systematisch erkennen

Ein Bedrohungsmodell übersetzt Architektur in mögliche Angriffswege und Gegenmaßnahmen. Nutzen Sie ein leichtgewichtiges Format, das das Team regelmäßig aktualisiert.

Vorgehen in fünf Schritten:

  1. Scope definieren: Welche Assets, Komponenten und Datenflüsse betrachten wir in diesem Inkrement.
  2. Trust Boundaries markieren: Wo wechselt die Verantwortung oder die Vertrauensebene.
  3. Bedrohungen ableiten: Mit STRIDE (Spoofing, Tampering, Repudiation, Information Disclosure, Denial of Service, Elevation of Privilege) oder PASTA (Process for Attack Simulation and Threat Analysis) die wahrscheinlichsten Szenarien identifizieren.
  4. Risiken bewerten: Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung kombinieren, z. B. mit DREAD-ähnlichen Metriken oder einem einfachen Ampelmodell.
  5. Gegenmaßnahmen zuordnen: Controls ins Backlog, mit Aufwand, Owner und Messkriterium.

Mini-Beispiel für eine Web-API:

  • Bedrohung: Session Hijacking über gestohlene Tokens.
    • Maßnahme: Short-lived Tokens, Refresh-Tokens mit Rotating-Mechanismus, Token-Bindung an Device-Fingerprint, serverseitiges Revoke.
  • Bedrohung: SQL-Injection durch unvalidierte Eingaben.
    • Maßnahme: Parametrisierte Queries bzw. ORM, zentralisierte Input-Validierung, Negative-Security-Tests in der Pipeline.
  • Bedrohung: Exfiltration von Backups.
    • Maßnahme: Getrennte Schlüssel, Offsite-Backups verschlüsselt, automatisches Restore-Testing, Zugriff per Just-in-Time-Mechanismus.

5. DevSecOps-Pipeline: Sicherheit automatisieren

Sicherheit muss in jeder Pipeline-Stufe laufen und darf Deployments nicht lähmen. Ziel ist schnelle, wiederholbare Qualität.

Bausteine einer soliden Security-Pipeline:

  • Pre-Commit: Secrets-Scanner, einfache Linter, Commit-Signaturen.
  • Build: SAST für Code, SCA für Abhängigkeiten, Lizenzprüfung, Generierung einer SBOM.
  • Test: DAST gegen Testumgebungen, IAST oder RASP bei komplexen Apps, Security-spezifische Unit- und Integrationstests.
  • Infrastructure as Code: Scanner für Terraform, Kubernetes-Policies, CIS-Benchmarks, Policy-as-Code in der Pipeline.
  • Container: Image-Scanning bei Build und Admission, Rootless-Container, signierte und verifizierte Images.
  • Deployment: GitOps mit Signierung und Freigabe-Workflows, progressive Delivery mit Sicherheits-Gates.
  • Monitoring: Runtime Security, Anomalie-Erkennung, Alert-Tuning, Dashboard mit Sicherheitsmetriken.

Fehlerkultur und Ausnahmenmanagement:
Funde werden priorisiert, SLAs für Behebung sind festgelegt. Bewusste Risikoausnahmen werden zeitlich befristet, dokumentiert und von einem Security-Gremium bestätigt.

6. Tests, Abnahmen und Nachweise

Sichere Software ist nachweisbar sicher. Planen Sie Abnahmen explizit.

Elemente einer belastbaren Abnahme:

  • Nachweis, dass OWASP ASVS Anforderungen der gewählten Stufe erfüllt sind.
  • Protokolle automatisierter Scans mit dokumentierten False Positives.
  • Ergebnisse manueller Tests, inklusive Exploit-Beispielen mit Fix-Nachweisen.
  • Red-Team- oder Purple-Team-Erkenntnisse und gefixte Findings.
  • Betriebs- und Notfallhandbuch mit Playbooks, RTO/RPO belegt.
  • Datenschutznachweise wie Löschprotokolle, DPIA wo erforderlich.
  • Vollständige SBOM und Abhängigkeits-Freeze für das Release.

7. Betrieb, Monitoring und kontinuierliche Verbesserung

Nach dem Go-live beginnt der Ernst des Lebens. Security by Design setzt auf Metriken und Lernschleifen.

Sinnvolle Metriken:

  • Mean Time to Detect und Mean Time to Respond für sicherheitsrelevante Incidents.
  • Patch-Latenz für kritische Abhängigkeiten.
  • Anteil Builds, die Sicherheits-Gates auf Anhieb passieren.
  • Abdeckung der Security-Tests und Zahl kritischer Findings pro Release.
  • Onboarding-Zeit neuer Services in Security-Standards.

Kontinuierliche Verbesserung:
Quartalsweise Architektur-Reviews mit Fokus auf neue Risiken, Lessons Learned aus Incidents, Retros zu Security-Workflows und gezielte Schulungen für Lücken.

Governance, Rollen und Zusammenarbeit

Security ist Teamsport. Klare Verantwortlichkeiten verhindern, dass Sicherheit "niemandes Aufgabe" ist.

Rollenmodell:

  • Product Owner: Übersetzt Sicherheits- und Datenschutzanforderungen in priorisierte Backlog-Items.
  • Engineering Lead: Sorgt für technische Leitplanken, Code-Qualität und Security-Standards.
  • Security Champion: Erstansprechpartner, kuratiert Best Practices, treibt Maßnahmen im Team.
  • Security Engineering: Liefert Tools, Policies, Reviews und berät in komplexen Fragen.
  • Data Protection Officer: Prüft und begleitet Privacy by Design, Lösch- und Betroffenenrechte.
  • Platform/SRE: Verankert Sicherheitskontrollen in Plattform und Infrastruktur.
  • Compliance/Legal: Stellt regulatorische Konformität sicher und bereitet Audits vor.

Arbeitsrituale mit Sicherheitsfokus:

  • Security-Schnipsel im Refinement: Jede Story wird kurz auf Sicherheitsfolgen geprüft.
  • 20-Minuten-Threat-Huddle pro Sprint-Inkrement.
  • Security-Review-Gate vor größeren Architekturänderungen.
  • Monatlicher Security-Community-Call für Champions.
  • Klar dokumentierter Ausnahmeprozess mit Ablaufdatum.

Cloud, Container und moderne Plattformen sicher nutzen

Cloud Security

  • Identitäten zuerst: Zentrale Identität, starke MFA, Service-Principals mit minimalen Rechten, Zugriff zeitlich begrenzen.
  • Mandanten- und Konto-Struktur: Trennung nach Umgebungen, Abrechnung und Compliance.
  • Netzwerkschutz: Private Endpoints, egress control, WAF vor öffentlich erreichbaren Endpunkten.
  • Storage: Standardmäßig verschlüsselt, Public Access verboten, Lifecycle-Regeln inklusive rechtssicherer Aufbewahrung.
  • Protokollierung: Zentralisierte Logs, manipulationssichere Ablage, definierte Aufbewahrungsfristen.

Container und Kubernetes

  • Images: Minimalbasis, Reproducible Builds, signiert und verifiziert.
  • Laufzeit: Rootless, selinux/apparmor aktiv, seccomp-Profile, read-only Filesysteme, restriktive PodSecurity.
  • Netzwerk: Policies standardmäßig "deny all", nur explizite Freigaben.
  • Secrets: KMS-gestützt, nie im Manifest im Klartext.
  • Admission: Policy-Checks vor Deployment, z. B. nur signierte, geprüfte Images zulassen.
  • Supply Chain: SBOM für jedes Image, regelmäßiges Rebuilden, wenn Basisschichten gepatcht werden.

Daten- und API-Sicherheit

  • Input-Validierung: Schema-Validierung an der Edge, Fail-Closed, aussagekräftige, aber nicht verräterische Fehlerantworten.
  • Serialisierung: Sichere Parser, sensible Felder zensieren, Output-Encoding am richtigen Ort.
  • Rate-Limits und Circuit Breaker: Missbrauch bremsen, Backend schützen.
  • Key-Management: Rotation, getrennter Zugriff, Protokollierung jeder Nutzung.
  • Datenlebenszyklus: Klassifizierung, Zweckbindung, Löschkonzepte, Auditierbarkeit.

Compliance integrieren statt blockieren

Security by Design hilft, Compliance effizient zu erfüllen, statt sie als Hindernis zu empfinden.

  • ISO 27001: Verknüpfen Sie Controls mit konkreten Pipeline-Checks, Architekturentscheidungen und Betriebsprozessen.
  • OWASP ASVS und MASVS: Als Anforderungskatalog für App-Security nutzen und in Abnahmen spiegeln.
  • NIST SSDF: Prozessleitfaden, um Security in Requirements, Design, Build und Release zu verankern.
  • DSGVO: Privacy by Design, DPIA, Betroffenenrechte technisch umsetzbar machen, Lösch-Workflows automatisieren.

Praxisnahe Checklisten, die Teams wirklich nutzen

Checkliste für den Projektstart

Formulieren Sie die Sicherheitsziele gemeinsam und schreiben Sie sie in das Product Brief, damit sie neben den funktionalen Zielen sichtbar bleiben.
Benennen Sie einen Security Champion im Team und reservieren Sie ihm Zeit für Reviews, Threat Modeling und Austausch mit Security Engineering.
Entscheiden Sie sich für verbindliche Standards und legen Sie fest, wie deren Einhaltung gemessen wird, damit Anforderungen nicht verschwimmen.
Planen Sie das Security-Budget und tragen Sie Zeit für Threat Modeling, Tests und Reviews in den Projektplan ein, damit Sicherheit nicht unter Termindruck leidet.
Erstellen Sie ein erstes Bedrohungsmodell und markieren Sie Trust Boundaries, damit alle dieselbe Risiko-Landkarte sehen.

Checkliste für die Architekturphase

Wählen Sie bewährte Patterns wie Segmentierung, Zero Trust und ein vorgelagertes API-Gateway, damit Angriffsflächen reduziert werden.
Planen Sie Secrets-Management, Protokollierung und Observability als Plattformfunktion, damit Teams nicht jedes Mal neu erfinden müssen.
Definieren Sie Datenklassifizierung und Verschlüsselungsstandards, damit sensible Informationen von Anfang an geschützt sind.
Verankern Sie Privacy by Design und Löschkonzepte im Datenmodell, damit DSGVO-Anforderungen nicht auf halbem Weg hängen bleiben.
Erarbeiten Sie einen Abnahmeplan mit klaren Evidenzen, damit niemand am Ende raten muss, was genügt.

Checkliste für die Pipeline

Fügen Sie SAST, SCA und SBOM-Erstellung in den Build ein, damit Schwachstellen und Lizenzrisiken früh sichtbar werden.
Scannen Sie IaC und Container-Images automatisiert, damit Infrastrukturfehler gar nicht erst live gehen.
Nutzen Sie signierte Commits und signierte Artefakte, damit die Lieferkette nachvollziehbar bleibt.
Härten Sie Admission-Controller und erzwingen Sie Policies, damit nur geprüfte Deployments ins Cluster gelangen.
Messen Sie die Fix-Zeiten für kritische Findings, damit kontinuierliche Verbesserung sichtbar bleibt.

Typische Fallstricke und wie Sie sie vermeiden

  • Zu späte Einbindung: Security kommt erst kurz vor dem Release dazu. Binden Sie Security Engineering in Inception und Architektur ein.
  • Unklare Anforderungen: Allgemeine Floskeln wie "sicher" helfen nicht. Schreiben Sie testbare Akzeptanzkriterien.
  • Tool-Overload: Zu viele Scanner ohne Prozess erzeugen Alarmmüdigkeit. Standardisieren Sie auf wenige, gut integrierte Werkzeuge und definieren Sie SLAs.
  • Manual-only: Manuelle Tests sind wichtig, aber ohne Automatisierung nicht skalierbar. Verankern Sie Security in der CI.
  • Kein Ausnahmenmanagement: Temporäre Workarounds werden Dauerzustand. Arbeiten Sie mit Fristen und expliziter Genehmigung.
  • Fehlende Telemetrie: Ohne Logs und Metriken ist jede Reaktion verzögert. Planen Sie Observability von Anfang an.

Beispiel: Ein fiktives Kundenportal sicher entwerfen

Ausgangslage: Ein mittelständisches Unternehmen entwickelt ein Kundenportal für Bestellungen und Rechnungen, gehostet in der Cloud.
Ziele: Starke Authentisierung, Schutz der Rechnungsdaten, gesetzliche Aufbewahrung, kurze Release-Zyklen.

Security by Design Umsetzung:

  • Standards: OWASP ASVS Level 2 als Ziel, ISO 27001 Controls anwendbar, DSGVO-Checks.
  • Architektur: SPA plus Backend-For-Frontend, API-Gateway, Microservices für Bestellungen und Rechnungen, Datenklassifizierung "hoch" für Rechnungsdaten.
  • Bedrohungsmodell: Fokus auf Account Takeover, Injection, Exfiltration von Dokumenten.
  • Kontrollen: OIDC mit MFA bei sensiblen Aktionen, Token-Lebenszeit kurz, Rotating Refresh Tokens, serverseitige Prüfung.
  • Pipeline: SAST, SCA, SBOM, IaC-Scan, Container-Scan, DAST in Staging, signierte Images, Admission-Policies.
  • Privacy: Pseudonymisierung der Kundennummern, Lösch-Workflow nach Vertragsende, revisionssicheres Archiv.
  • Abnahme: ASVS-Review, Nachweise automatisierter Checks, manuelle Tests, Notfallhandbuch mit Playbooks.
  • Betrieb: Dashboards für Anmeldungen, Fehlversuche, Download-Muster; Alarme auf anomale Aktivitäten; 30-Minuten-RTT.

Vorlagen, die Sie übernehmen können

Beispiel-Risikoregister (kompakt)

  • Risiko: Account Takeover durch Credential Stuffing.
    • Minderung: MFA, Rate-Limits, Credential-Stuffing-Detection, Passwortrichtlinien, Überwachung ungewöhnlicher Logins.
  • Risiko: Injection in Bestellservice.
    • Minderung: Parametrisierte Queries, zentralisierte Validierung, Security-Tests im CI, Code-Reviews mit Fokus auf Inputs.
  • Risiko: Datenexfiltration aus S3-ähnlichem Storage.
    • Minderung: Private Buckets, KMS-verschlüsselt, IAM least privilege, Zugriffe geloggt und korreliert.

Beispiel-Akzeptanzkriterien für eine API

  • Alle Endpunkte benötigen gültige, kurzlebige Tokens, Refresh erfolgt über sicheren Endpunkt mit Rotating-Mechanismus.
  • Eingaben werden gegen strikte Schemata validiert und bei Verstoß mit generischen, sicheren Fehlermeldungen beantwortet.
  • Ratenbegrenzungen sind pro Identität und IP aktiv, Limits werden pro Endpunkt dokumentiert.
  • Pro Request existiert eine Trace-ID, die in Logs auf Gateway- und Service-Ebene vorhanden ist.
  • PII-Felder sind im Transit und at rest verschlüsselt, Logs enthalten keine Roh-PII.

Wirtschaftlichkeit und Business Case

Sicherheit ist kein Kostenblock ohne Rendite. Teams, die Security by Design konsequent umsetzen, berichten von niedrigeren Gesamtkosten über die Lebenszeit, weil teure Nacharbeiten, Ausfälle und Audit-Schleifen seltener werden. Die Release-Geschwindigkeit steigt, weil wenige, klar integrierte Tools die Pipeline stabil halten. Und der Vertrieb profitiert, weil Kunden Nachweise und Antworten in Sicherheitsfragebögen schneller erhalten.

Messbare Effekte:

  • Rückgang kritischer Findings pro Release.
  • Kürzere Antwortzeiten auf Sicherheitsfragebögen, höhere Win-Rate in Ausschreibungen.
  • Reduzierte Incident-Kosten durch schnellere Erkennung und Reaktion.
  • Weniger Ausfälle durch robuste Architekturen und vorbereitete Notfallpläne.

Häufige Fragen kurz beantwortet

Ist Security by Design nur für große Unternehmen sinnvoll?

Nein. Kleine Teams profitieren besonders, weil klare Leitlinien Entscheidungen beschleunigen und teure Fehler vermeiden.

Verlangsamt Security die Entwicklung?

Nur, wenn sie spät und ad hoc kommt. Früh integrierte, automatisierte Sicherheitsprüfungen sparen Zeit und Nerven.

Welche Standards eignen sich als Grundlage?

Für Web-Anwendungen hat sich OWASP ASVS bewährt. Für mobile Apps ist MASVS sinnvoll. NIST SSDF gibt Prozessleitplanken. ISO 27001 hilft beim Betriebsrahmen.

Wie viel Threat Modeling ist genug?

Leichtgewichtig pro Inkrement. 30 Minuten, klare Dokumentation, Maßnahmen ins Backlog - lieber oft und pragmatisch als selten und schwergewichtig.

Brauchen wir ein separates Security-Team?

Ja, aber nicht als Gatekeeper. Security Engineering baut Plattformkontrollen, schult und unterstützt. Das Produktteam trägt die Verantwortung für die Umsetzung.

Vergleich gängiger Ansätze der E-Mail- und Dokumentenablage in Projekten

Ablageoption
Vorteile im Projektalltag
Sicherheits- und Compliance-Risiken
PST-Dateien
Schnell exportiert, lokal verfügbar, zunächst ohne Zusatzkosten
Kein zentrales Rechtemanagement, anfällig für Verlust und Beschädigung, schwer auditierbar und nicht revisionssicher
Exchange Online Archiv
In MS365 integriert, zentrale Suche, einfache Nutzerverwaltung und flexible Postfacherweiterung
Ohne zusätzliche Maßnahmen keine echte WORM-Speicherung, Lösch- und Aufbewahrungsfunktionen nur eingeschränkt compliance-tauglich
Professionelle E-Mail-Archivierung
Revisionssicher, DSGVO-fähige Löschkonzepte, skalierbar, schnelle Verfügbarkeit bei Audits
Einführungsaufwand und Lizenzkosten, dafür langfristig risikoärmer und effizienter

Security-by-Design-Playbook zum Mitnehmen

10 Schritte, die Sie sofort anwenden können

  1. Schreiben Sie heute noch Sicherheitsziele in das Product Brief Ihres aktuellen Projekts und machen Sie sie sichtbar.
  2. Benennen Sie einen Security Champion und geben Sie ihm 10 Prozent seiner Zeit für Aufgaben und Austausch.
  3. Legen Sie die anzuwendenden Standards fest und verlinken Sie sie im Repository-Readme.
  4. Skizzieren Sie ein erstes Bedrohungsmodell auf One-Pager-Basis und legen Sie Verantwortliche für Gegenmaßnahmen fest.
  5. Rüsten Sie Ihre Pipeline mit SAST, SCA und SBOM-Erstellung aus und schalten Sie die Checks verpflichtend.
  6. Scannen Sie Ihre Infrastruktur-Definitionen und Container-Images und blockieren Sie Deployments bei kritischen Findings.
  7. Zentralisieren Sie Secrets-Management und entfernen Sie Secrets aus Repos und CI-Variablen.
  8. Ergänzen Sie Authentisierung um MFA bei sensiblen Aktionen und erzwingen Sie TLS 1.2 oder höher.
  9. Erstellen Sie ein Notfallhandbuch mit Playbooks für häufige Szenarien und testen Sie diese im Game Day.
  10. Etablieren Sie Metriken und ein Security-Review-Ritual, um Verbesserungen messbar zu machen.

Template: Leichtgewichtiges Bedrohungsmodell (One-Pager)

  • Scope: Service X, Endpunkte /v1/orders und /v1/invoices, Datenflüsse zwischen API-Gateway, Service und Datenbank.
  • Werte: Kundendaten, Aufträge, Rechnungen, Zugangsdaten.
  • Trust Boundaries: Internet zu Gateway, Gateway zu Service, Service zu DB, Admin-Plane.
  • Bedrohungen: Spoofing von Sessions, Tampering an Payloads, Information Disclosure aus Logs, DoS durch Request-Spam, Privilege Escalation im Admin-UI.
  • Kontrollen: OIDC mit kurzen Tokens, Schema-Validierung, Log-Redaction, Rate-Limits, RBAC und Step-up-Auth für Admins.
  • Rest-Risiken: dokumentiert, akzeptiert bis Datum X, Review im Quartal Y.

Content Security, Frontend und mobile Besonderheiten

  • CSP und Browser-Schutz: Content Security Policy, Subresource Integrity, X-Frame-Options bzw. Frame-Ancestors, sichere Cookies mit HttpOnly und Secure.
  • Frontend-Bibliotheken: Sorgfältige Pflege von Dependencies, automatisierte Updates, Build-Pinning und Integritätsprüfungen.
  • Mobile: Secure Storage für Tokens, SSL-Pinning wo sinnvoll, Schutz vor Reverse Engineering, Minimierung sensibler Logs, sichere Inter-App-Kommunikation.

Incident Response und Resilienz

Security by Design endet nicht mit Prävention. Resilienz und schnelle Reaktion sind Teil des Designs.

  • Playbooks: Credential Leak, RCE-Verdacht, Datenabfluss, DDoS, verdächtige Admin-Aktivität, kompromittierte Abhängigkeit.
  • Kommunikation: Vorlagen für interne und externe Kommunikation, inklusive rechtlicher Meldewege.
  • Forensik: Unveränderliche Log-Ablagen, Snapshots, reproduzierbare Builds und klarer Chain-of-Custody-Prozess.
  • Übungen: Vierteljährliche Tabletop-Übungen, jährliche technische Übungen mit realistischen Szenarien.

Wie Sie Security by Design kulturell verankern

  • Schulungen: Kurze, wiederkehrende Sessions mit praktischen Übungen sind effektiver als jährliche Marathontrainings.
  • Gamification: Bug-Bashes, Capture-the-Flag-Events, Leaderboards für Fix-Zeiten.
  • Enablement statt Gatekeeping: Security liefert Templates, Snippets, Policies und Beispielservices.
  • Transparenz: Dashboards, die Fortschritt und Risiken sichtbar machen, erhöhen die Motivation.
  • Erfolgsgeschichten: Teilen Sie interne Case-Studies, in denen Security by Design Incidents verhindert hat.

Konkrete Formulierungen, die in Jira oder Azure Boards funktionieren

  • Story-Definitionen enthalten einen Abschnitt "Sicherheitsauswirkungen", um bewusste Entscheidungen zu fördern.
  • Definition of Done umfasst "Security-Checks grün", "Bedrohungsmodell aktualisiert", "Secrets im Code verboten".
  • Akzeptanztests enthalten Security-relevante Negativfälle, die Entwickler lokal ausführen können.
  • Release-Checklisten enthalten SBOM-Export, Lizenzreport, Notfallkontakte und On-Call-Plan.

Die größte Wirkung entfaltet Security by Design, wenn sie selbstverständlich wird. Wenn Standards, Checklisten, Tools und Metriken im Alltag nahtlos zusammenspielen, wächst Sicherheit ohne Reibung. Nutzen Sie diesen Leitfaden als Startpunkt: Beginnen Sie mit klaren Zielen, einem leichten Bedrohungsmodell und wenigen, gut integrierten Tools. Bauen Sie darauf in jeder Iteration auf. So entsteht eine Kultur, in der Sicherheit und Geschwindigkeit sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig verstärken.

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